Menschen hautnah:
Blind. Na und?
Der außergewöhnliche Lehrer Martin Park
12.04.2012, 22.30 Uhr
13.04.2012, 14.15 Uhr
WDR
Regie: Frank Papenbroock
Kamera: Thomas Ch. Weber
Martin Park schwingt sich mit einem beherzten Satz auf das steil abschüssige Dach. Er wolle eben schnell noch die Fenster von außen wischen. Eine Hand umklammert den Fensterrahmen, die andere wischt das Glas. Der eine Fuß tastet nach Halt, der andere rutscht ab. Sein Atem stockt – nicht. „Oh, doch ganz schön glitschig hier“, meint Park gelassen und hangelt sich wieder in Position. Ihm kommt zugute, dass Freeclimbing zu seinen Hobbys gehört. Und vielleicht auch, dass er den Abgrund unter sich nicht sieht. Martin Park ist blind.
Anderthalb Stunden später betritt er seinen Arbeitsplatz, das Faust- Gymnasium in Freiburg. Seine Schüler sind in ausgelassener Laune, nehmen kaum Notiz, als er die Klasse aufschließt – sie haben sich längst an ihren blinden Referendar gewöhnt. Als der Unterricht beginnt, macht Lars ihn schnell darauf aufmerksam, dass der Beamer noch ausgeschaltet ist, und dann wird es ruhig. Außergewöhnlich ruhig für eine Klasse pubertierender Schüler. Die Jugendlichen hier müssen sich selber disziplinieren. Sie nehmen sich gegenseitig mit einem „Meldeball“ dran, den sie sich zuwerfen.
„Ein blinder Erdkundelehrer?“ Noch vor einem Jahr konnte sich kaum einer der Kollegen vorstellen, wie das gehen soll, doch mittlerweile besteht praktisch kein Zweifel mehr daran, dass Martin Park der geborene Pädagoge ist. Der Schulleiter ist begeistert von ihm und würde ihn gern als Lehrer übernehmen, aber die Entscheidung dafür liegt nicht bei ihm. Doch wie fast immer wartet Park gelassen ab, welche Richtung sein Leben nehmen wird.
Martin Park unterrichtet Erdkunde und Französisch, und seine Schüler lieben insbesondere seine detailreichen Schilderungen der Natur. Kein anderer Lehrer beschreibt ihnen den Geruch von verwittertem Granit oder den Wind auf den Pyrenäen anschaulicher, und nur wenige können besser von aufregenden Trips nach Nepal berichten als er. Und sie lieben es, „dass er nicht einer ist, der nur vor der Klasse steht und redet, sondern dass man wirklich kommunizieren muss und irgendwie auf einer Ebene ist.“
Martin Park war schon im Mutterleib an einem Krebs der Netzhaut erkrankt, der erst am Ende seines ersten Lebensjahres entdeckt wurde. Zu spät, wie sich herausstellte: Er verlor sein Augenlicht. Seine Mutter habe ihn „nie in Watte gepackt“, sondern gefordert wie ein sehendes Kind. Und so wurde aus dem blinden Kind ein außergewöhnlicher Erwachsener. Ein extrem lebensfroher Mensch, dem seine Erkrankung keinerlei Grenzen zu setzen scheint.
Doch dann wird seine Frau schwanger. Unter die Freude über die Vaterschaft mischt sich erst Sorge, dann die Angst. Es könnte sein, dass der Vater die Augenkrankheit an seinen Sohn vererbt hat …
Ein Jahr lang haben Autor Frank Papenbroock und Kameramann Thomas Ch. Weber „den blinden Lehrer“ begleitet und dabei das Portrait eines beeindruckenden Menschen gezeichnet.
Quelle: WDR Pressetext